Mainzer Radraketen fliegen weiter

Preisgekröntes Nachwuchsprojekt „Radraketen“ starten demnächst wieder im Freien.

Eine Eltern-Kind-Laufrad-Gruppe „Radraketen“ zu nennen, darauf muss man erstmal kommen. Katrin Roßmann hatte die Idee zur Gründung der Gruppe und gab ihr auch den motivierenden Namen.

Sie ist sozusagen das Triebwerk der Radraketen, was aus Sicht der 39-jährigen Physiotherapeutin aus Mainz-Ebersheim eigentlich ziemlich naheliegend ist. Schließlich ist sie im örtlichen Radsportverein aufgewachsen und hat nun die Chance, dem Verein ein wenig von dem zurückzugeben, was sie ihm zu verdanken hat.

Und das ist nicht wenig, denn die mittlerweile zweifache Mutter war in den Jahren 2004 bis 2014 sechs Mal Weltmeisterin im Kunstradfahren. Logisch also, dass es für sie Sinn macht, nicht nur ihren eigenen Kindern zu zeigen, wie toll es ist, die Kunst des Zweiradfahrens zu beherrschen, sondern auch dass man nicht früh genug damit beginnen kann.

Damit überzeugte der Radsportverein Ebersheim nicht nur die Fachjury, die das Nachwuchsprojekt 2022 mit dem Sportpreis der Stadt Mainz auszeichnete, sondern auch viele Eltern und ihre Kinder im Mainzer Stadtteil, denn der Zuspruch war und ist riesig.

Eine der Mütter ist Tanya. Die Ukrainerin fand mit ihrem kleinen Mädchen vor wenigen Monaten in Ebersheim Zuflucht vor dem Krieg in ihrer Heimat. Die Radraketen bieten ihr nicht nur eine willkommene Gelegenheit, auf andere Gedanken zu kommen und die Menschen ihrer neuen Umgebung kennenzulernen, sondern ihr Kind lernt etwas, was sie ihm nicht hätte beibringen können. „Radfahren habe ich nie gelernt , aber hier lernt es meine Tochter.“ Das kleine Mädchen bewegt sich mittlerweile schon sicher auf dem Laufrad. Vielleicht bringt sie bald der Mutter das Radeln bei.

Die Radraketen lernen die Kunst des Fahrens auf zwei Rädern spielerisch. Der Spaß steht im Mittelpunkt jeder Stunde und diesen Spaß kann man an den Gesichtern der Kinder ablesen. Das beginnt schon in der ersten Sekunde, wenn sie auf ihren Laufrädern sitzend, vorsichtig in die Halle schauen. Sofort zeigt sich ein Lächeln: „So groß die Halle und ich kann überall hinfahren!“

Mehr und mehr der Kinder zwischen einem und drei Jahren rollen auf die Fläche. Ihre Räder sind ganz unterschiedlich. Manche haben noch vier Räder, andere balancieren auf zweirädrigen Laufrädern, aber drei sind sogar schon auf „richtige“ Fahrräder mit Pedalen umgestiegen. Wenn sie mit dem richtigen Fahrrad den Parcours gut bewältigen können, endet für sie die Zeit bei den Radraketen. „Superschade, dass es keine Radraketen-Gruppe für diese Fahrradanfänger gibt“, so Katrin, „aber wir finden derzeit keine Übungsleiter dafür.“ Fachkräftemangel gibt´s also auch im Verein.

Während Katrin gemeinsam mit den Eltern einen Parcours mit verschiedenen Stationen aufbaut, rollen sich die Kleinen schon mal ein. Jeder darf erstmal machen, was er will, nur zwei Regeln sind zu beachten: Die Richtung ist vorgegeben und es herrscht Helmpflicht. Nach dem Einrollen versammeln sich alle zu einer kurzen Begrüßung in der Mitte und schon geht’s los.

Manche freuen sich, nur außen rumzusausen. Andere probieren die Hindernisse aus. Man kann durch einen kleinen Tunnel fahren, über eine Wellenbahn, im Slalom um Hütchen, über ein Holzhindernis oder mit dem Rad über eine kleine Wippe, die kippt, sobald man die Mitte überquert hat. Einige Kinder schauen sich das Treiben erstmal interessiert vom Rand an, bevor sie selbst los rollen.

Ein Höhepunkt ist das „Rennen“ gegen Ende der Stunde: Alle Kinder stehen an der Startlinie, die Spannung steigt, ungeachtet eines „Frühstarts“ kommt das Startkommando und alle brausen mit mehr oder minder großem Hallo in ihrem individuellen Tempo zur anderen Hallenseite. Gewinner werden bei diesen „Rennen“ keine ermittelt, es ist offensichtlich, dass sie alle gewinnen, vor allem Spaß.

Katrins Sprössling hat einen besonderen Kick entdeckt: Er hält nach dem Überqueren der Ziellinie frontal auf die Wand zu, lässt sich mit kontrollierten Tempo dagegen rollen und wird durch den abrupten Stopp mit seinem Helm bis kurz vor die Wand gedrückt. Das fühlt sich offensichtlich großartig an, denn er beendet auch das zweite und dritte Rennen genauso und fordert ein viertes Rennen.

Aber nichts da, die Stunde ist schon fast zu Ende und alle versammeln sich noch mal zum Schlusskreis in der Mitte. Ein Lob von Katrin, eine Streicheleinheit von den Eltern und ein gemeinsames Lied setzen die Schlusspunkte. Die Radraketen verschwinden gut gelaunt durch ihr Eingangstor, während ein anderes Tor gegenüber aufschwingt und die Nachwuchsradballer des RV Ebersheim die Halle entern.

„Eigentlich ist die Hallenzeit für uns ein bisschen knapp“, sagt Katrin, „aber im Sommerhalbjahr können wir raus auf den großen Platz vor der Halle.“

Es ist gerade spannend, weil die ersten Kinder schon auf die richtigen Räder umsteigen. Es zeigt sich, dass sie das Pedalieren aufgrund ihrer Vorerfahrungen mit den Laufrädern unheimlich schnell lernen. Das Ziel der Eltern-Kinder-Laufrad-Gruppe, Kindern spielerisch an das Radfahren heranzuführen, funktioniert also gut. Umso besser also, dass die „Radraketen“ demnächst auch auf dem Parkplatz starten. (jf)

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